Samy Deluxe dachte irgendwie, dass er sich mit einem Blog aus Sachsen trifft: Dresden Machines. Nicht ganz! Nachdem wir das geklärt hatten, verlief die restliche Konversation Missverständnisfrei und wir unterhielten uns bei Bier aus MiMiMi-Bechern in der Berliner Baumhausbar übers sein neues Album „Berühmte letzte Wort“, das Auswandern und Burger.
Traditionelle Einstiegsfrage: Was hast du heute schon gegessen?
Gestartet hat der Tag mit einem vegetarischen, ach sogar veganen Chili-Eintopf vorhin in Hamburg. Als wir dann aber nach Berlin reinfuhren und ich wusste, dass unser Dinner erst in ein, zwei Stunden ist, folgten dem Chili zwei Maxi Bifi-Rolls. Das hätte ich nicht tun sollen. (lacht)
Witzig, denn in „Haus am Mehr“ rappst du, dass du eigentlich gerne jeden Tag Salat essen würdest, dass es meistens aber dann doch ein Burger wird. Hast du da eine Lieblings-Kombi?
Eigentlich nicht. Dieses Burger-Ding hat sich zu so einem krassen Trend entwickelt, wo Leute auf einmal so tun, als wenn Burger essen jetzt zum Gourmet-Sektor gehört. Auf der einen Seite appreciate ich natürlich, dass es ein höheres Level bei Burgern gibt, aber am rum nerden bin ich da jetzt nicht. Also wenn ich einen guten Burger mit einem guten Brötchen und guten Fleisch bekomme, bin ich zufrieden. Ich bin auch einfach so oft in Amerika gewesen, da weiß ich gar nicht, ob mir hier in Deutschland jemand einen Burger zeigen könnte, bei dem ich so richtig ausflippe. Da müssen die auf jeden Fall noch ein bisschen dran arbeiten.
In „Haus am Mehr“ durchläufst du auch die Erkenntnis, dass Geld, Ruhm und Besitz alleine nicht glücklich machen. Kannst du dich trotzdem noch erinnern, was du dir von deiner ersten großen Gage gekauft hast?
Was ich mir gekauft habe, als die großen Deals geschlossen wurden, das weiß ich gar nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch an die Zeit, wo ich eigentlich ständig broke war und ich mir an einem Tag den Kontoauszug geholt habe, in der Hoffnung, dass vielleicht noch ein Fuffi drauf ist und dann stand da auf einmal 10.000 DM, das waren noch D-Mark Zeiten. Mit der Kohle bin ich dann mit meiner damaligen Freundin, die auch später die Mutter von meinem Kind wurde, nach Amsterdam gefahren.
Und hast alles verraucht.
Nicht alles, aber bestimmt auch da rein investiert. Ich weiß aber noch, dass wir ein richtig nices Hotel hatten. Sich das erste Mal etwas auf einem Level über Jugendherberge gönnen. Denn da habe ich die Nächte auf meinen Reisen in der Jugend oft verbracht. Da war so ein Hotel mit Room Service natürlich ein echtes Highlight. Ach, und ich habe damals noch eine Lederjacke geshoppt. Ich glaube, das war das Teuerste, was ich je als einzelnen Gegenstand gekauft habe. Die kam sicher so 1.700 Mark. Das muss alles so 1999 oder 2000 gewesen sein.
Einige der von dir aufgezählten Privilegien in dem Song hast du ja selbst in der Hand, Ruhe und Schlaf z.B. Achtest du darauf, davon genug zu bekommen? Machst du regelmäßig ein Mittagsschläfchen?
Im Prinzip habe ich genug Zeit auszuschlafen, aber ich schlafe einfach nicht viel. In den letzten Jahren habe ich so einen Drive, dass ich irgendwie gar keinen Sinn in langen Urlauben sehe. Ich kann mich dann eh nicht locker machen und brauche irgendwie immer die Möglichkeit, aufzunehmen oder zumindest produzieren zu können. Mittagsschläfchen also nur, wenn ich richtig im Arsch bin.
In „Countdown“ gibst du zu, dass es gar nicht so einfach ist, alle Ansprüche, Erwartungen und Wünsche an das Album gerecht zu werden. Ärgert es dich dann, wenn du unter deinen fb-Postings Diskussionen zur Qualität und Inhaltswahl deiner Songs los stößt?
Nein, denn die Kernaussage in „Countdown“ ist diese: „Zehn Menschen, zehn Meinungen, ich wusste nie was die Fans wollten. Sie wollen Weiterentwicklung, aber man soll bloß keinen Trends folgen“. Dieser Widerspruch ist ja auch einfach so Gott gegeben, weil jeder Mensch das kennt. Wenn man das mit der Speisekarte eines italienischen Restaurant vergleicht, dann gibt dort die, die am liebsten Bolognese essen oder die, die auf Carbonara oder Arrabiata stehen. Menschen haben ja zum Glück unterschiedliche Geschmäcker.
Naja gut, aber die Leute die immer zu allem ihren Senf dazu geben müssen, nerven doch aber trotzdem, oder?
Ich finde das schlimm, ja. Deshalb geht bei mir oft viel gutes Feedback von Leuten verloren. Wenn ich nämlich etwas poste, dann scrolle ich nur so weit runter, dass ich sehen kann, wie viele Likes der Beitrag hat, aber ich traue mich nicht, die Kommentare zu lesen. Manchmal mache ich das natürlich doch – curiosity kills the cat. Dann freue ich mich über so Kommentare wie: „Samy, du bist der allergeilste Rapper! Du bist ein Rap-Gott! Du bist ein Rap-Genie!“ Aber ich muss nur einen negativen Kommentar lesen und der fickt dann für Stunden meinen Kopf.
Wirklich? Auch nach so vielen Jahren noch?
Natürlich, weil ich nicht weiß, wer das sagt. Da entsteht bei mir oft der Drang, und dem gehen manche Künstler ja auch nach, Demjenigen zu antworten und Stellung zu beziehen. Da muss es auch gar nicht mal um mich gehen. Ein Beispiel: bei „Sing meinen Song“ hat Nena einen Track von mir gecovert und das richtig krass gemacht. Neben den positiven Kommentaren, schrieb aber eben auch einer: „Ja, ich fand das jetzt nicht so geil, ist deinem Song nicht gerecht geworden.“ Und da denke ich mir, Digger, rap du den doch mal. Du bist wahrscheinlich erst zwanzig und die Frau ist fünfzig und hat den Song so krass gerappt, dass ich vor ihr auf die Knie gefallen bin. Und das habe ich in meinem Leben ganzen Leben noch nie gemacht. Das regt mich dann einfach krass auf. Und weil ich selber wohl auch noch nie einen negativen Kommentar irgendwo hinterlassen habe.

Copyright: Janick Zebrowski
Im Song „Mittendrin“ geht es um Weltverbesserung. Wenn du zaubern könntest, alles ändern könntest, wo würdest du anfangen, um die Erde zu einem besseren Ort zu machen?
Ich interessiere mich sehr für Psychologie, sprich, ich beschäftige mich gerne mit strangen Menschen und frage mich, warum sie so strange sind. Wenn ich mir also wirklich irgendwelche Kräfte wünschen könnte, dann würde ich alle emotionalen Traumata der Menschen mit einem mal auswischen und gucken, ob wir wirklich alle so verkorkst sind oder ob nur das, was uns geprägt hat, uns dazu gemacht hat.
Auch spannend fänd ich den Ansatz, dass man ein Device entwickelt, eine Art Brille z.B., durch die du sehen kannst, wie sich deine Zukunft entwickelt, wenn du genau so weitermachst wie bisher. Wie bei einem Teenager, der denkt, Schule ist für den Arsch. Wie geil wäre das, dann in die Zukunft gucken zu können und zu sehen, wo einen diese Einstellung hinbringt. „Fuck! Alter, ich stehe an der Kasse bei Penny.“
Es könnte aber auch die Augmented Reality Brille sein: du stehst an der Kasse und kaufst gerade abgepacktes Hühnerfleisch und siehst dann live unter welchen Bedingungen es produziert wurde. Oder wie sich die Welt auch in der Hinsicht verändert, wenn wir alle zu viele Tiere fressen.
Stimmt, das ist dann auf jeden Fall einen Schritt größer gedacht.
Aber ich glaube, wenn wir alle unsere Traumata löschen würden, würden wir richtig durchdrehen. Dann wäre ja nur alles schön, beziehungsweise könnten wir ja jeden Tag neue Traumata schaffen. Was ist damit? Wo fängt man an zu löschen, wo hört man auf?
Stimmt, da hast du Recht.
Aber gut, das würde jetzt zu weit führen…
Wie bei allen weltverbesserischen Themen.
Aber nicht nur der Erdball als solches, bekommt auf deinem Album sein Fett weg. In Songs wie „Klopapier“ geht es auch Deutschland an den Kragen. Gibt es ein Land, von dem du sagen würdest, da laufen die Dinge besser? Könntest du dir vorstellen auszuwandern?
Ganz viele Sachen, die ich in „Klopapier“ sage, würde ich 1:1 auch auf andere Länder übertragen, nur, dass in England das toilet paper dann eine andere Farbe hätte. Etwas Deutschlandspezifischer ist vielleicht, dass die Leute hier oft schlecht gelaunt sind und sich leichter reizen lassen.
Auswandern ist aber trotzdem so eine Sache, denn ich mag mein Studio einfach sehr. Quasi bin ich also schon einmal ausgewandert: da wo mein Studio ist, da ist nicht Deutschland, da ist Kunstwerkstatt.
Aber klar gibt es natürlich andere Länder, die Sachen besser gemacht haben. In den skandinavischen Ländern wurden z.B. Integrationsdinge anders geregelt. Die haben die Leute einfach mehr aufgeteilt und damit dafür gesorgt, dass sich einzelne Leute wirklich integrieren können und nicht überall diese Gruppenbildung stattfindet. Aber ich war jetzt auch lange nicht mehr da. Meine Schwester hat damals da studiert und mir oft von Entschlüssen aus der sozialen Politik erzählt, die sich sehr fortschrittlich anhörten.
Deine Freundin kommt aus der Schweiz, wäre das nicht was? Ich mag es da!
Ich glaube, wenn die Umstände richtig sind, kann man sich überall wohlfühlen. Ich komme aus Hamburg, was zwar eine schöne Stadt ist, wo es aber gefühlt dreihundert Tage im Jahr regnet. Und trotzdem kann man die Stadt lieben. Warum soll ich also ein Land wie die Schweiz nicht schön finden, wo ständig die Sonne scheint und Milch und Honig in den Flüssen fließt?
Aber ich habe in meinem Leben einfach nicht mehr diese private Agenda, an der ich mich orientiere. Gerade weil ich mit Anfang 20 schon Frau und Kind gehabt habe und damals einen genauen Plan hatte, wie alles weitergehen soll, der aber dann Stück für Stück den Bach runtergegangen ist. Seitdem habe ich mich einfach nicht mehr getraut, das Private über meine Karriere zu stellen. Für mich ist einfach immer mein nächstes Album das was ich mache, und da wo ich hinfahre. Ich plane einfach wenig.
Du bist generell jemand, der sein Herz auf Zunge trägt. Du bist sehr ehrlich und konkret – in persönlichen Dingen, aber auch eben bei der Kritik an der aktuellen politischen Lage. Hat dir das schon einmal Probleme bereitet? So, wie der Böhmermann jetzt z.B. vielleicht denkt, hätte ich das Ding mal lieber nicht gebracht?
Der hat ja jemanden beleidigt. Und dann auch noch einen Türken! Wenn ich eins in meinem Leben früh gelernt habe, dann: Man soll keine Türken beleidigen, zumindest nicht in Deutschland. Im Amiland kannst du das machen. Denn da sind die Schwarzen die Türken. Da kannst du das einfach nicht bringen. Aber wenn du dort einen Türken beleidigst, ist alles easy, weil es gibt wahrscheinlich nur sieben in der ganzen USA und das sind alles nette Kebab-Verkäufer.
Aber klar, manchmal muss man mit den Konsequenzen dann auch leben. Wobei ich natürlich auch voll für Meinungsfreiheit bin. Trotzdem denke ich aber auch, dass man sich der Konsequenzen bewusst sein muss, wenn einen konkreten Namen in den Mund nimmt. Also im Rap-Kontext fand das früher ja oft statt. Azad erwähnt mich in einer Zeile, ich disse ihn in einem Song. Aber in meinem privaten Kontext hat sich da eigentlich nie wer gerächt.
„Berühmte letzte Worte“ von Samy Deluxe erschien am 29. April 2016 & kann u.a. hier bestellt werden.