Kreuzberg vs. Neukölln. Der große Stadtteilkampf der Ramensuppe.
Ich möchte heute mich mit einen Phänomen beschäftigen, welches sich seit 2015 langsam und heimlich eingeschlichen hat, schlichtweg unumkehrbar und plötzlich im wahrsten Sinne in aller Munde fast heimisch ist. Ja, als hätte es nie etwas anderes gegeben.
Wer sich die letzten Jahre noch genüsslich zum Lunch, Abendessen oder auf seinen Kater am frühen Sonntag Nachmittag eine kräftige Phở genehmigte, gilt heute für massiv unhip und mit dem geschmacklich, kulinarischen Mitläufertum der Großstadt anscheinend nicht mehr wirklich konform.
„Lass doch heute mal zum Vietnamesen“ – ganz ehrlich: das ist so 2014. Stattdessen heißt es plötzlich überall: „Heute Cocolo?“
Nur ganz kurz: Hat sich denn der Begriff Cocolo in so kurzer Zeit bereits als Metonymie für Ramen an sich etabliert, oder sprechen nur alle davon, weil es wirklich der beste Ramensuppenladen der Stadt ist?
Ich möchte tiefer in die Materie eintauchen und schaue über den Tellerrand (in diesem Falle: die Ramennudelsuppenschale).
Cocolo Ramen ist die Tochter eines der besten (darüber lässt sich streiten – es ist aber wirklich sehr gut!) Sushi Restaurants in Berlin – dem Kuchi. Dieses gibt es Wiederum in Charlottenburg und in Mitte. Naheliegend ist die Tatsache, dass eines der besten japanischen Sushi Restaurants der Stadt auf den Trendzug aufspringt und genau: ein Ramen-Restaurant eröffnet. Die erste Tochter von Kuchi nannte sich also Cocolo und machte sich unmittelbar neben dem Restaurant in Mitte breit. So breit, so weit, so gut. Wo also ein zweites Restaurant eröffnen, wenn das Eine bereits nach kurzer Zeit täglich aus fast allen Nähten platzt?

Tonkotsu Ramen – Cocolo X-Berg
Die Antwort ist nicht schwer. Kreuzberg ist nach Mitte der wohl beliebteste Bezirk Berlins – zumindest was Hipstertum, Coolness aber auch Trends angeht. Wunderschön am Paul-Lincke-Ufer liegend, öffneten schon bald die Pforten des Cocolo II, beziehungsweise Cocolo Xberg.
Aufgrund mangelnder Kapazität an freien Gewerbeimmobilien in guter Lage, wandert also der gefuchste Geschäftsmann – in diesem Falle der Japaner – immer weiter in Richtung Neukölln. Ich glaube jeder von uns kennt die Berliner Stadtentwicklung mehr als gut. Um es abzukürzen: einige Zeit später eröffnete ein weiteres traditionelles Ramen Restaurant (japanisch genannt: Ramen-ya). Ya genau. Und wo? Also quasi umme Ecke: nämlich Weserstrasse, Neukölln.
Hallo Ramen Laden Nummer Zwei – Hallo Men Men – das japanische Nudelhaus. Besagtes Nudelhaus wirbt groß mit der eigenen Ramennudelherstellung direkt neben dem Restaurant. (Man muss sich sicherlich einiges einfallen lassen, wenn einem die große Schwester fehlt) Und für den ungläubigen und misstrauischen Bürger, wurde sogar an ein Schaufenster im Nudelherstellungsraum gedacht. So kann jeder Gast – ankommend auf die Tageszeit – zusehen, wie seine Ramennudel hergestellt wird.
Ich persönlich gebe zu, dass auch ich „damals“ bekennender Phởdist gewesen bin. Aber wenn ich jetzt wirklich vor die Wahl gestellt würde, gebe ich zu mich in 99 von 100 Fällen für Ramen zu entscheiden. In kürzester Zeit vom Phởdist zum Ramist sozusagen. Religion gewechselt. Weltanschauung verändert. Mich der einen Sache bekennend abgewandt. Hin zu einer fettigen Suppenbasis mit langen Weizen- (Eier-) – Nudeln, Schweinebauch und Mais. Wahlweise mit einem Schuss Sesamöl, Sesamkörner, Chilipulver und Frühlingszwiebeln. Hühnchen, Tofu und / oder Ingwer. Dies das. Ach ja – und Ei, das darf nicht fehlen. Eingelegt. Gekocht. Halbiert. Und gerne alles zusammen auf einmal. Rein da in den Suppentopf. Bittesehr.
Im Gegensatz zur Phở ist die Basis der Ramensuppe dickflüssiger und einfach viel schwerer und fettiger. Es gibt, um genau zu sein, vier verschiedene Ramen Sorten: Shogun Ramen – basierend vor allem aus japanischer Sojasauce, Miso Ramen – basierend auf Miso Paste, Shio Ramen – basierend auf Salz mit ausgekochtem Fisch oder Meeresfrüchten und mein persönlicher Favorit: Tonkotsu – basierend auf ausgekochten Schweineknochen.
Also sind wir mal ehrlich, das ist schon ganz schön dirty. Jedenfalls geht leichte Kost anders, aber es schmeckt. Und das wahnsinnig gut.
Interessant auch, dass sich der hippe Großstadt-Yoga-Spirulina-Bürger plötzlich abends wieder Kalorien in Höhe eines Sauerbratens einverleiben kann.
Aber hey: Es handelt sich doch nur um eine Suppe. Come on.
Ich – selbst bekennender Kreuzberger und Hip-Bürger – habe mich nun herangewagt und die beiden Läden miteinander verglichen. Und hier ist für euch meine Sicht der Dinge:
Cocolo erinnert an einen japanischen Restaurantgarten. Vielleicht mit schöneren Möbeln und ein bisschen mehr Fabrikstyle. Schwere, dunkle und hochwertige Holzbänke, an denen zwischen 6 und 10 Personen Platz finden. Zu jeder Tages- und Nachtzeit unglaublich laut und voll. Hast du es hineingeschafft, musst du dich zwischen den 4 auf Hochtouren arbeitenden Kellern hindurchschlängeln, ohne umgerannt zu werden. Dann wiederum bekommst auch du einen Platz an einem hoffentlich nicht all zu vollem Tisch. In der Regel herrscht Apokalypse, aber dennoch sind die Kellner schnell für die Bestellung bereit und zudem meist freundlich. Die Ramen werden vor den Augen der Gäste an der Bar zubereitet, was mit sich zieht dass 6 weitere Mitarbeiter in Akkordzeit Ramen zubereiten und sich dabei wilde, japanische Wörter zurufen.
Ach ja, fast vergessen: die genreübergreifende Musik, bei der man nie genau weiß, ob sich die Musik konstant plus 50 Dezibel automatisch an den Gesprächsgeräuschpegel des Restaurants anpasst oder umgekehrt. Aber: Die Ramen sind einfach wirklich gut. Und letzten Endes ist die Atmo auch erträglich, sofern du nicht gerade an deinem Roman arbeiten oder deine Beziehung beenden willst.

Miso Ramen – Cocolo X-Berg
Men Men – das japanische Nudelhaus steht dem Einrichtungsstil des Cocolo in nichts nach. Sogar die dunklen Holzbänke – hier jedoch mit Dach – lassen sich hier wiederfinden. Leider nicht so massiv und hochwertig – Einschätzung eines Laien.
Zudem finden sich an den Seiten kleinere 2-3 Personen Tische.
Hier herrscht strikter Self-Service. Man bestellt an der Bar und nimmt zu jeder Bestellung seine Getränke und einen eigenen Vibrationspager mit zum Tisch, der dann surrt, sobald deine Suppe fertig ist. Demnach ist im Gastraum weniger Kellnergewusel. Aber Vorsicht: nicht jeder Gast bringt die nötige Gastronomieerfahrung mit. Also kann es bei dem ein oder anderen schon etwas länger dauern, bis die Tabletts mit Getränken und Suppe, mal mehr mal weniger voll, auf dem anvisierten Tisch landen.
Was leider fehlt, sind die Sesamgewürzmühle und das Chilisalz. Minuspunkt. Alles in allem sind die Ramen (trotz schlechter Bewertung in einschlägigen Internetportalen) aber auch sehr gut.

Speisung zuhause – Men Men über Foodora.
Mein Fazit:
Die unglaublich schlechtgelaunte Dame an der Kasse des Men Men sollte sich zunächst einmal Gedanken darüber machen, ob ihr eine berufliche Umorientierung eventuell mehr Freude bereiten würde. Vielleicht irgendwas mit Steinen oder so.
Jedoch ist die Essensatmosphäre selbst, im Men Men um einiges entspannter und schlichtweg nicht vergleichbar mit der des Cocolo.
Ramen sind in beiden Restaurants sehr gut, dennoch tendiere ich zum Testsieger Cocolo .
Und: es gibt es im Men Men keine Tinkotsu. Schlecht für mich. Aber: Men Men liefert über Foodora, was manchmal schon massiv behilflich sein kann, vorausgesetzt Du wohnst in Kreuzberg oder Neukölln.
Wer verkatert am Sonntag, mit großem Hunger nach Feierabend oder einer kurzen Mittagspause schnell etwas zu essen und es vor allem etwas gediegener haben möchte, ist im Men Men Restaurant etwas besser „bedient“ – oder auch nicht, denn denke stets daran: Self-Service.
In diesem Sinne. Guten Hunger.