Liam X hat schon mit Bon Iver, The National oder Woodkid zusammen gearbeitet. Und er war schon mit Honne, Gold Panda und OK Kid auf Tour. Mit dem Sänger letzterer Band, Jonas aka Egon Holz, hat er auch gleich noch ein Video produziert, das nicht besser zur aktuellen Zeit passen könnte. „Herbst“ heißt es und versteht sich als Alarmsignal für eine Gesellschaft, in der sich Rechtsradikalität und Fremdenhass wieder ausbreiten (Video siehe unten).
Das Video ist außerdem ein Vorbote auf das Album, das nächstes Jahr im Frühjahr erscheinen wird. Wir haben den Musiker getroffen und uns mit ihm über seine letzte EP „Lass es zu“, die im Juli erschien, übers sich Zeit nehmen und Tinder gesprochen:
Was hast du heute schon gegessen?
Es ist Dienstag morgens und ich habe gerade einen Soja-Joghurt mit Müsli und Obst gegessen und dazu einen Kaffee schwarz.
Seit deiner letzten EP „Erstmal für immer“ ist ungefähr ein Jahr vergangen. Was hat sich seit dem für dich verändert?
Eigentlich so ziemlich alles. Es war der erste Release über mein eigenes Label und ich war mir am Anfang noch nicht so sicher, ob es die richtige Entscheidung war – mittlerweile weiß ich aber, dass es genau so sein sollte. Die EP hat mir viele Türen zu Musikerkreisen geöffnet und vor allem viel zu meiner Selbstfindung beigetragen.
Warum ist es kein Album geworden? Bzw. wann ist mit diesem zu rechnen?
Es war einfach noch viel zu früh für ein Album. Ich möchte das Album gerne mit Singles und EP’s so gut wie möglich vorbereiten und es auch erst veröffentlichen, wenn ich mir sicher bin, dass es mich als Künstler und Musiker zu 100% widerspiegelt. Ich glaube ein „perfektes“ Album im technischen Sinne gibt es eh nicht, aber darum geht es mir auch überhaupt nicht bei Musik. Es muss einfach authentisch sein, dann ist es „perfekt“. So wie es im Moment aussieht, werde ich aber das Album im Frühjahr 2017 veröffentlichen.
Die EP „Lass es zu“ produzierst du gemeinsam mit Sven Ludwig aus Köln. Woher könnte man den kennen? Und wie viel steckt von dir in den Beats? Drückst du selbst die Knöpfe?
Sven Ludwig kennt man vor allem durch OK Kid, wo er als Produzent tätig ist. Er produziert aber auch Sachen wie Sway Clarke, Xul Zolar, May uvm. Tierischer Typ und im Moment noch viel zu sehr unterm Radar. Die Beats produziere ich grundsätzlich selbst vor und manchmal auch komplett. Es gibt Songs die ich mit Sven von Null anfange und Songs die ich schon sehr weit, oder ganz produziert habe.
Du studierst an der UdK. Was genau? Und: führst du ein klassisches Studentenleben?
Ich habe definitiv kein klassisches Studentenleben geführt, da ich schon immer nebenbei gearbeitet habe und wegen der Musik viel ausfallen lassen musste. Ich habe Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Bin aber mittlerweile fertig.
In „Nimm dir Zeit“ appellierst du, sich im Leben generell mehr Zeit zu nehmen. Denkst du, dass sich unsere Welt zu schnell dreht? Und wie viel Zeit nimmst du dir selbst, um zur Ruhe zukommen, nachzudenken und auszuwerten?
Das ist genau die Aussage des Songs. Es gibt Momente wo man sich viel zu sehr stresst und einfach mal mehr chillen sollte. Im Auto zum Beispiel, oder klassisches Beispiel: beim Boarding. Viele Menschen rennen durchs Leben, ohne sich wirklich umzugucken und das ist ein grundsätzliches Problem meiner Generation und der aktuellen Erlebnisgesellschaft. Ich nehme mir zum Beispiel die Zeit einen Song zu Ende zu hören, oder ein Video komplett zu gucken. Auch viel Zeit sollte man sich nehmen, um Menschen kennenzulernen und nicht mit zu vielen Vorurteilen durchs Leben zu gehen.
Dein Song „Schlaflose Nacht“ schlug damals ja fast in die gleiche Kerbe. Bist du glücklich in Berlin? Ist Berlin die Stadt die niemals schläft?
„Schlaflose Nacht“ appelliert auch an die selbe Zielgruppe, sagt aber eher aus, dass man sich nicht von der Stadt und ihren Möglichkeiten einkesseln lassen darf. Ich bin sehr glücklich in Berlin, auch wenn ich mich manchmal nach etwas mehr Ruhe sehne. Letztens kam ich an einem Sonntag aus dem Urlaub wieder und vor meiner Haustür waren drei Open Airs und mindestens zwei ewig lange Clubschlangen. Da denkt man sich auch, was ist hier nicht richtig. Aber das ist eben Berlin. Definitiv die Stadt die niemals schläft.
Und ist das eher Segen oder Fluch?
Es ist beides, Segen und Fluch. Ich glaube in dieser Paradoxie liegt der Reiz der Stadt. Sie tut einem weh und tut einem gut – das ewige hin und her nach dem sich unsere Gesellschaft sehnt.
Brauchst du zum Schreiben Ruhe?
Wenn ich mich konzentriert an einen Song setzen will, brauche ich auf jeden Fall Ruhe und Zeit. Aber manchmal fallen mir auch Lines einfach in der Bahn ein, oder beim Sport. Das kann man nicht wirklich kontrollieren.
Neben der Musik, skatest du, magst Basketball und den BVB. Wie passt das zusammen? Sportliche Früherziehung?
Skaten, Basketball und Fußball sind alles Dinge die ich mache seit ich klein bin. Das eine schlechter, das andere besser. Aber ich konnte noch nie still sitzen und mir stundenlang Bücher reinziehen oder sowas. Ich habe es geliebt mit meinen Jungs loszuziehen und „on the road“ zu sein. Das ging in dem Alter am besten mit Sport.
Du bist Social Media mäßig sehr aktiv. Stimmt es, dass du auch bei Tinder unterwegs bist?
Ich habe tatsächlich die App installiert und bin da ab und zu mal drauf, aber eher weil es einfach ein lustiger Zeitvertreib ist und nicht weil ich glaube, dass ich dort meine Traumfrau kennenlerne. (lacht) Zum Glück gibt es jetzt aber ja auch noch Pokemon Go!
Kann man denn die Liebe überhaupt übers Web finden?
Schwer zu sagen. Mittlerweile gehört das Web ja irgendwie zu unserem Leben dazu und da finden sich bestimmt auch Paare. Aber wenn der erste Eindruck den man von einem Menschen hat aus Profibildern und Smileys besteht, ist es wirklich traurig.
Was steht bei dir in nächster Zeit an? Worauf freust du dich am meisten?
In nächster Zeit werde ich mein Album und einige Produktionen für andere Künstler fertig produzieren. Der Fokus wird aber erstmal ganz auf meiner Platte und ihrer Veröffentlichung liegen. Dazu gehe ich wahrscheinlich im Herbst auf Tour als Support von diversen Bands und meine eigene Tour im Frühjahr 2017 ist auch schon gebucht. Darauf freue ich mich auch am meisten!
Jetzt geht es eigentlich erst richtig los.